Zu den Anforderungen an eine ideale internationale Verständigungssprache gehört, dass sie "neutral" sein soll. Das bedeutet zunächst, dass sie niemandes (alleinige) Muttersprache sein darf. Das ist bei Esperanto zweifellos der Fall. (Es gibt zwar eine Reihe Esperanto-Muttersprachler, aber im Vergleich zur Zahl aller Esperanto-Sprecher sind das wenige.) Darüber hinaus ist es wünschenswert, dass die internationale Verständigungssprache von allen Menschen gleich gut erlernt werden kann. Dazu müsste sie "gleichen Abstand" zu allen Sprachen der Welt haben. Diese Forderung ist aber praktisch nicht zu erfüllen.
Wenn die Idealforderung nicht erfüllbar ist, lautet der Kompromiss, dass die internationale Verständigungssprache von möglichst vielen Menschen leicht erlernt werden kann. Deshalb basiert das Vokabular des Esperanto fast ausschließlich auf Elementen der indoeuropäischen Sprachfamilie, denn diese ist die größte und am weitesten in der Welt verbreitete. Die Wortwurzeln des Esperanto stammen sogar zu 75–90% (abhängig von der Zählungsweise) nur aus den romanischen Sprachen. Das Esperanto-Alphabet besteht aus Buchstaben der lateinischen Schrift - 28 Buchstaben, von denen 6 mit diakritischen Zeichen wie ^ gebildet werden.
Man kann Esperanto aber nicht einfach als eine europäische (oder gar romanische) Sprache bezeichnen. In einigen Punkten unterscheidet es sich nämlich grundlegend:
Zudem sind viele Esperantowörter auch in nicht-indoeuropäischen Sprachen bekannt, weil sie als Lehnwörter (meist lateinischen oder griechischen Ursprungs) weltweite Verbreitung gefunden haben.
Für eine neutralere internationale Verständigungssprache wurde vorgeschlagen:
Ein wenig Nachdenken ergibt, dass eine solche Sprache, wenn sie überhaupt funktionieren könnte, zwar neutraler, dafür aber für alle Menschen (nicht nur für Europäer) entscheidend schwerer zu erlernen wäre — nicht gleich leicht für alle, sondern gleich schwer für alle.
Die Nähe des Esperanto zur indoeuropäischen Sprachfamilie entspricht also einem pragmatischen Kompromiss zwischen den konkurrierenden Anforderungen der sprachlichen Neutralität und der leichteren Erlernbarkeit. Den Menschen mit einer nicht-indoeuropäischen Muttersprache kommt das Esperanto auf jeden Fall weiter entgegen als irgendeine europäische Nationalsprache – und auch weiter als die meisten anderen Sprachen (die nicht der selben Sprachfamilie angehören).
Der bekannte Fantasy-Autor J.R.R. Tolkien vertrat die Meinung zu Esperanto, dass trotz etwaiger theoretischer Verbesserungsmöglichkeiten von Esperanto, dieses doch ein äußerst ausgewogener Sprachentwurf sei, den es zu unterstützen gelte: "Mein Rat an alle, die Zeit oder Interesse haben, sich für eine internationale Sprache zu engagieren, wäre: 'Steht fest zu Esperanto.'" (Quelle: https://de.wikiquote.org/wiki/J._R._R._Tolkien)