Populäre Irrtümer über Esperanto

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Veröffentlichungsdatum: 
2016-04-27
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Ein bekannter Sprachwissenschaftler hat vor ein paar Jahren gegenüber dem Goethe-Institut erklärt, der internationalen Sprache Esperanto fehle die Literatur völlig. Ein früherer Englisch-Dolmetscher und Mitarbeiter der US-Regierung - ein bekannter Journalist - schrieb in einem Beitrag für das Monatsmagazin der Neuen Zürcher Zeitung, Sprachen wie Esperanto hätten "keine Kinderlieder und keine Verse", "keine Flüche, keine Witze, keine Redensarten". Ein Münchner Professor hat im vergangenen Jahr im Bayrischen Rundfunk behauptet, Esperanto sei für Sprecher außerhalb Europas "genauso unzugänglich wie Französisch oder Spanisch oder Italienisch".

Esperanto-Bücher

Ist das alles wahr? Nein, kein Wort davon ist zutreffend - das alles sind falsche Aussagen über die internationale Sprache Esperanto. Es gibt sehr wohl eine reichhaltige Esperanto-Literatur, die über 10.000 Bücher umfasst; jährlich erscheinen 120 weitere Esperanto-Bücher. Seit vielen Jahrzehnten gibt es in Esperanto insbesondere Kinderlieder, Verse, Witze, Flüche und Redensarten - Gedichte finden sich schon im ersten Esperanto-Lehrbuch von 1887. Ein Chinese kann Esperanto in einem Jahr lernen, während für das Englische zumindest fünf Jahre und für das Französische mindestens sieben Jahre nötig sind - das wusste man in China bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren, wie die Heidelberger Sinologie-Professorin Gotelind Müller-Saini dargelegt hat.

Ungeprüfte Falschaussagen

Die oben genannten falschen Aussagen zu Esperanto sind nur drei Beispiele von "populären Irrtümern" zu Esperanto - es gibt weit mehr. Vermutlich werden im übrigen die Falschaussagen nicht bewusst verbreitet - in den Sprachwissenschaften werden Behauptungen dieser Art aber seit Jahrzehnten unbesehen weitergetragen und es macht sich kaum jemand die Mühe, den aktuellen Stand zu überprüfen.

"Das leidige, nicht tot zu kriegende Esperanto"

Mancher Autor belässt es nicht beim Verbreiten von Falschinformationen zu Esperanto - es wird auch verunglimpft und herabgesetzt: Ein bekannter Journalist bezeichnet die Entwickler von geplanten Sprachen pauschal als "versponnene Köpfe". Ein Leiter einer Europäischen Akademie schreibt mit Bezug auf Esperanto von einer "Verbalisierung von Piktogrammen". Und ein Anglist wettert gegen das "leidige, nicht tot zu kriegende Esperanto". Eine sachliche Auseinandersetzung sähe anders aus.

35.000 Esperanto-Prüfungen in Ungarn

Die vergleichsweise junge Sprache Esperanto - vor knapp 129 Jahren, 1887, von Ludwig Zamenhof in einer kleinen Broschüre vorgestellt und mittlerweile in über 120 Ländern weltweit vertreten - verbreitet sich jedoch zunehmend. Ein paar Millionen Menschen haben Esperanto gelernt, ein paar hunderttausend sprechen es regelmäßig und es gibt sogar schon mehr als tausend Esperanto-Muttersprachler. Auf den Sprachlernseiten Duolingo haben in den letzten zehn Monaten über 300.000 Lerner mit einem Esperanto-Sprachkurs angefangen. In Ungarn haben seit 2001 über 35.000 Esperanto-Lerner eine staatlich anerkannte Prüfung abgelegt.

Esperanto-Lieder und -Videos

Die Esperanto-Wikipedia hat mittlerweile über 220.000 Artikel - mehr als die dänische oder die slowakische Ausgabe. Die Esperanto-Kultur blüht - es gibt Bücher, Theaterstücke, Lieder und zunehmend Videos in Esperanto. Bei Facebook, Google Groups und Yahoo gibt es Hunderte von esperantosprachigen Gruppen, Google Translate übersetzt Esperanto-Texte, Firefox gibt es in einer Esperanto-Version.

Weltweite Kontakte

Kein Wunder, dass Esperanto bei vielen seiner Sprecher Begeisterung hervorruft - ist es doch in etwa einem Drittel der Zeit erlernbar, die man für andere Sprachen wie Englisch oder Spanisch braucht, und man kann leicht in Europa und weltweit Kontakte knüpfen. Dank der leichten Erlernbarkeit erreichen viele Esperanto-Sprecher nach ein paar Jahren ein hohes Niveau - höher als in ihren anderen Fremdsprachen.

Ist Esperanto unerwünschte Konkurrenz?

Vielleicht wird Esperanto von so manchem Vertreter althergebrachter Sprachen als unerwünschte Konkurrenz verstanden. Schließlich träumte Zamenhof, dass Esperanto eines Tages die "einzige, von allen anerkannte Weltsprache" werden würde. Das würde die Rolle anderer Sprachen zurückdrängen und der Bedarf an Sprachlehrern und Linguistik-Professoren für die herkömmlichen Sprachen, der Bedarf an Dolmetschern und Übersetzern ginge möglicherweise zurück. Das ist eine bedauerliche Begleiterscheinung des Fortschritts - manchmal werden ältere Berufe im Laufe der Zeit weniger gebraucht und mancher muss sich umorientieren.

Esperanto - gesprochen in über 120 Ländern weltweit

Es wird immer wieder betont, eine weltweite Verbreitung und Einführung des Esperanto sei aussichtslos - wenn das keine Aussichten hat, warum wird von manchem so energisch (und oft so falsch) gegen Esperanto geschrieben? Wo ist das Problem damit, dass Esperanto-Sprecher ihre Sprache weltweit sprechen?

Ausgeschlossen vom Bundeswettbewerb Fremdsprachen

Warum schließt der Bundeswettbewerb Fremdsprachen Esperanto als Wettbewerbssprache aus? Wollen die Vertreter der anderen Sprachen nicht, dass ihre Sprachen mit Esperanto verglichen werden können, dass man sieht, was für ein hohes Sprachniveau mit Esperanto in verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht werden kann?

Eine neue Sprache mit weltweiter Sprachgemeinschaft

Warum wird Esperanto nur selten als das anerkannt, was es heute ist - eine neue Sprache einer weltweiten Sprachgemeinschaft, die internationale Kommunikation und Völkerverständigung tagtäglich pflegt? Ein Ziel, das übrigens Ludwig Zamenhof schon 1887 klar sah:

"Jeder, der diese Sprache erlernt hat, muss sie sofort zum Verkehr mit anderen Nationalitäten benutzen können, ganz abgesehen davon, in wie fern diese Sprache von der Welt anerkannt wird".

Esperanto als allgemeine Sprache der Welt war also nicht etwa Zamenhofs einziges Ziel - mit der Schaffung einer lebendigen und rasch erlernbaren Sprache war Zamenhof schon nach wenigen Jahrzehnten erfolgreich; das ist bis heute so geblieben und die Sprache verbreitet sich weiter, auf allen Kontinenten.

Objektive Information tut not

Warum wird Jugendlichen und Erwachsenen von so manchem Autor eine neutrale Information über Esperanto verweigert? Wie soll sich der Bürger und Zeitungsleser entscheiden können, ob er oder sie das Angebot von Esperanto annehmen möchte, wenn viele Informationen falsch sind? Warum scheint so mancher Autor den Esperanto-Sprechern nicht die Freude lassen zu wollen, diese rasch erlernbare Sprache weltweit zu sprechen und zu genießen?

Relativ neutrale Quelle: Wikipedia

Zutreffende und neutrale Informationen über Esperanto zu finden ist leider nicht ganz leicht. Möglicherweise gehört der Esperanto-Artikel in der englischsprachigen Wikipedia zu den verlässlichsten neutralen Informationsquellen. Dort sind zu den meisten Aussagen die entsprechenden Belege angegeben.

In der Tat: Esperanto ist "nicht totzukriegen"

So sehr gegen Esperanto agitiert wird: Der Anglist Anatol Stefanowitsch hat völlig recht - Esperanto ist nicht totzukriegen und es verbreitet sich weiter. Selbst die Unterdrückung unter Hitler und in der frühen DDR, selbst die Erschießung von Esperanto-Sprechern in der Sowjetunion der dreißiger und vierziger Jahre haben das nicht ändern können.

Louis v. Wunsch-Rolshoven
Deutscher Esperanto-Bund
Pressesprecher

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Internet/Quellen

Populäre Irrtümer über Esperanto
http://www.esperantoland.org/dosieroj/PopulaereIrrtuemerUeberEsperanto__EsperantoLand.pdf

Falsche Informationen über Esperanto

"eine große Literatur, die bei Esperanto völlig fehlt"
http://www.goethe.de/lhr/prj/diw/dos/de7245855.htm

"keine Kinderlieder und keine Verse", "keine Flüche, keine Witze, keine Redensarten"
http://www.dardel.info/Textes/Esperanto.html

"genauso unzugänglich wie Französisch oder Spanisch oder Italienisch"
Prof. Dr. Wolfgang Schulze, BR2, 15.12.2015, etwa 8 Uhr 20

Zutreffende Informationen

Esperanto-Literatur
z. B. 130 Esperanto-Bücher, 2015
http://katalogo.uea.org/katalogo.php?trovu=Trovu+en+la+reta+katalogo&post=2014&antau=2016&pli=48

Kinderlieder
http://katalogo.uea.org/katalogo.php?inf=4870

Gedichte schon 1887
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-buch?apm=0&aid=100078&teil=0203&seite=00000025&zoom=4

Esperanto auch für Chinesen weit leichter zu lernen
"Anyone familiar with western languages would know that English takes at least five years to learn and French at least seven. Esperanto on the other hand, could be learned in a year."
Gregor Benton. Chinese Migrants and Internationalism: Forgotten Histories, 1917–1945. New York. 2007, p. 99
Benton übernimmt Informationen aus: Gotelind Müller. China, Kropotkin und der Anarchismus. Wiesbaden. 2001

Herabsetzungen und Beschimpfungen

"versponnene Köpfe"
http://www.dardel.info/Textes/Esperanto.html

"Verbalisierung von Piktogrammen"
http://www.bpb.de/internationales/europa/europa-kontrovers/38161/einleitung?p=all

Das "leidige, nicht tot zu kriegende Esperanto"
http://www.scilogs.de/sprachlog/sprachbrocken-2012-24-28/

Ausschluss beim Bundeswettbewerb Fremdsprachen

"Als Wettbewerbssprachen könnt Ihr alle Fremdsprachen wählen, die in den Schulen in Deutschland unterrichtet werden - natürlich auch Latein und Alt-Griechisch. Nur Kunst- und Plansprachen sind nicht erlaubt."
https://www.bundeswettbewerb-fremdsprachen.de/mitmachen/kategorie-team-2015-16

Ziel von Zamenhof: Unmittelbare Anwendung von Esperanto

Ludwig Zamenhof, 1887: "Jeder, der diese Sprache erlernt hat, muss sie sofort zum Verkehr mit anderen Nationalitäten benutzen können, ganz abgesehen davon, in wie fern diese Sprache von der Welt anerkannt wird"
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-buch?apm=0&aid=100078&teil=0203&seite=00000008&zoom=4

Pressetexte zu Esperanto

http://www.esperantoland.org/presse/

Pressemitteilungen des Deutschen Esperanto-Bundes
https://www.esperanto.de/de/pressemitteilungen

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Louis von Wunsch-Rolshoven
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